Kommentar
Die Abschiedsreden für Mario Draghi waren geprägt von Lob und Emmanuel Macrons Aufforderung an die neue EZB-Präsidentin Lagarde, die konsequente Notenbankpolitik zur Vermeidung eines Zusammenbruchs der Währungsunion weiterzutragen. Und zwar, um das geflügelte Wort Draghis nochmals zu zitieren, „whatever it takes“, was immer es kostet.
Es kostet mittlerweile so einiges. Die Folgen einer indirekten Staatsfinanzierung durch Käufe von Staatsanleihen sind aktuell in ihrer letzten Konsequenz wohl noch gar nicht absehbar. Fakt ist, dass der Patient EU, insbesondere was die hochverschuldeten Südländer anbelangt, von der in hohen Dosen über einen langen Zeitraum verabreichten Medizin Niedrigzinsen nicht ohne erhebliche Entzugserscheinungen entwöhnt werden kann. Tatsache ist auch, dass negative Einlagenzinsen in Deutschland zunehmend an normale Privatkunden weitergegeben werden. Laut einem Handelsblattartikel vom 29. Oktober 2019 sind für den Bundesverband der Volks- und Raiffeisenbanken negative Einlagenzinsen im gesamten Mengengeschäft eine der denkbaren geschäftspolitischen Optionen, auf das er seine Mitgliedsinstitute mit einem Rundschreiben mit Rechts- und Kommunikationstipps schon einmal vorbereitet. Das ist durchaus verständlich, denn viele deutsche Banken leben vor allem vom Zinsertrag und da sind die rund 2,3 Milliarden Euro, die deutsche Institute jährlich als Strafzinsen an die EZB zahlen, ein schmerzhafter Ertragseinschnitt. Die vor diesem Hintergrund verständliche Kritik der deutschen Bankenverbände an der EZB-Politik als „Attitüde einer Opfermentalität“ abzutun, wie dies jüngst durch den BaFin Präsidenten Felix Hufeld in einer Stellungnahme geschah, greift hier zu kurz.
Wir als Fürst Fugger Privatbank sind in der glücklichen Lage, über 80 % unserer Erträge aus dem Provisionsgeschäft zu generieren und wir sind dadurch noch weniger abhängig von der Volatilität geldpolitischer Einflüsse als die von Hufeld in diesem Kontext lobend erwähnten US-Institute, deren Ertragsmix zu 60 % auf Provisionserträgen beruht. Gleichwohl ist uns bewusst, dass unser Geschäftsmodell nicht kurzfristig auf das Gros der deutschen Banken übertragen werden kann, was nicht zuletzt daran liegt, dass die Kunden mit ihrer häufigen Aversion gegen Aktien und ihrer Vorliebe für Zinsprodukte auch und vor allem bei der Altersvorsorge dazu nicht bereit sind. Die Politik mit ihren restriktiven Vorgaben an die Anlageberatung trägt nicht gerade dazu bei, dieses Problem zu reduzieren. Auch Herr Hufeld, der als Bankenaufseher für die Einhaltung dieser restriktiven Beratungsvorgaben verantwortlich ist, sollte sich darüber im Klaren sein.
Zurück zu Frau Lagarde: Die neue EZB-Präsidentin sollte bedenken, dass es auf die Dauer nicht ausreichend sein wird, die Notwendigkeit niedriger Zinsen überzeugender zu kommunizieren. Die negativen Auswirkungen der Niedrigzinspolitik sind dafür einfach zu groß. Eine schnelle Trendwende kann und will sie nicht herbeiführen, vor allem, weil auch deren Auswirkungen erheblich wären. Die ehemalige Finanzministerin von Frankreich sollte sich aber darüber bewusst sein, dass sie bei allem Verständnis für die Wünsche ihrer ehemaligen Kollegen aus dem hochverschuldeten Süden der Währungsunion auch die Probleme und Nöte der deutschen Sparer nicht aus den Augen verlieren darf, wenn sie nicht die Akzeptanz des Euro in Deutschland und in den nördlichen EU-Ländern aufs Spiel setzen möchte.
Quelle: MSC 2018