Mario Draghi, die Minuszinsen und die Konsequenzen für die Altersvorsorge der Deutschen

Kommentar

Härtere Strafzinsen für Banken, neue Milliarden für das umstrittene Anleihekaufprogramm der EZB: Mario Draghi hat zum Ende seiner Amtszeit nochmals Entscheidungen getroffen, die den Sparern nicht gefallen können. Es ist davon auszugehen, dass das neue Paket zur Lockerung der Geldpolitik die Niedrigzinsphase noch einige Jahre verlängert. Es soll an dieser Stelle nicht darüber diskutiert werden, ob die beschlossenen Maßnahmen gerechtfertigt sind oder nicht. Die EZB hat im Rahmen ihres Mandats gehandelt, ihre Entscheidung muss somit als gegeben hingenommen werden. Vielmehr möchte ich mich in diesem Beitrag mit der Frage beschäftigen, was dauerhafte Null- oder gar Minuszinsen gesellschaftspolitisch bewirken und welche konstruktiven Beiträge die Politik, aber auch die Banken leisten können, um ernsthafte Folgewirkungen einer langanhaltenden Niedrigzinsphase auf die Altersvorsorge zu begrenzen.

Es gibt noch keine empirischen Studien darüber, was es für die Altersvorsorge bedeutet, wenn eine ganze Generation im Bewusstsein aufwächst, dass Sparen sich nicht lohnt. Fakt ist, dass die gegenwärtige, auf eine Ausweitung des Konsums und eine höhere Inflationsrate zielende Geldpolitik durch verminderte Sparanreize die Zukunftsvorsorge gerade derjenigen schwächt, die am stärksten von Altersarmut betroffen sind, weil sie in Miete wohnen und weil sie, sofern sie überhaupt sparen, bei der privaten Altersvorsorge auf Zinsprodukte setzen. Bei dieser Bevölkerungsgruppe ist zu befürchten, dass Sparen im Allgemeinen und eigene Anstrengungen zur privaten Altersvorsorge im Besonderen aufgrund der durch die realen Wertverluste nach Inflation verursachte Hilflosigkeit komplett aufgegeben wird. Im Umkehrschluss wird der Ruf nach dem Staat lauter werden. Schon jetzt gibt es Forderungen nach einer stärkeren Belastung derjenigen, die durch die Zinsentwicklung Vorteile erlangt haben, also diejenigen, die Geld in eine Immobilie als Wertanlage oder in Aktien investiert haben. Sie sind Gewinner der „Vermögenspreisinflation“, die durch die immer höhere Liquidität in den Märkten verursacht wird (siehe Artikel „Liquidität schmiert die Märkte„). Ist es aber wirklich gerechtfertigt, diejenigen, die klug investiert haben, nicht nur immer höher belasten zu wollen, sondern teilweise sogar zu diffamieren und damit das Problem der fehlenden Aktienkultur noch zu verstärken? Es handelt sich dabei im Übrigen um ein typisch deutsches Problem: Hierzulande gehen nur 10 % des Vermögenswachstums seit der Finanzkrise auf die Wertsteigerung von Aktienanlagen zurück, im restlichen Euroraum sind es knapp 50 %, in Nordamerika über 60 %.

Was in der politischen Debatte komplett ausgeklammert wird sind jedwede Ansätze zur Förderung des Finanzwissens. Wenn die Staatsquote nicht ins Unermessliche steigen soll, muss die private Vorsorge ein wesentlicher Bestandteil für die Sicherung des Lebensstandards im Alter bleiben. Wenn Zinsprodukte hierfür ausfallen, muss ein Bewusstsein dafür geschaffen werden, dass stattdessen die Beteiligung am Produktivkapital langfristig dauerhafte Erträge gewährleistet. Diese Beteiligung steht jedem offen durch den Erwerb von Aktien. Allerdings nur, wenn sein Bankberater sich vor dem Hintergrund der überbordenden Regulatorik zum Anlegerschutz sich traut, ihm ein Aktieninvestment zu empfehlen. Um nicht falsch verstanden zu werden. Die Verpflichtung der Bankberater zu einer umfassenden Risikoaufklärung ist wichtig und soll hier nicht in Frage gestellt werden. Wer darauf angewiesen ist, jederzeit kurzfristig auf sein Erspartes zurückgreifen zu können, für den sind Aktien die falsche Anlage. Wer aber langfristig in Aktien investiert, kann davon ausgehen, selbst bei ungünstigen Ein- und Ausstiegseitpunkten eine positive Rendite zu erzielen. Untersuchungen des deutschen Aktieninstituts belegen, dass Anleger mit Dax Wertpapieren bei einer Spardauer von 20 Jahren eine durchschnittliche Rendite von 8,9 % pro Jahr generieren konnten, bei optimalem Timing waren sogar mehr als 20 % möglich. Selbst wenn diese Renditen sich künftig aufgrund zwischenzeitlicher Wachstumsschwächen reduzieren sollten, kann davon ausgegangen werden, dass die weltweite Wirtschaft langfristig weiter wächst und derjenige, der sich breit gestreut am weltweiten Produktivkapital beteiligt, von den Erträgen dieses Kapitals in Form positiver Renditen profitiert. Politik und Banken sollten alles tun, um die Bürger über diese Kausalzusammenhänge aufzuklären und sie zu langfristigen Investitionen in die Kapitalmärkte zu ermuntern. Flankiert werden sollte die Förderung des Finanzwissens durch steuerliche Anreize für langfristiges Aktiensparen und kostengünstige, transparente und intelligente Bank- und Versicherungsprodukte wie Fondssparpläne, fondsgebundene Lebensversicherungen oder Vermögensverwaltungen.

Jochen Hagen

Jochen Hagen

Mitglied des Vorstands, verantwortlich für die Bereiche Marktfolge Aktiv und Passiv, Organisation/IT, Risikocontrolling, Compliance, Marketing und Personal. Nach dem Studium der Verwaltungswissenschaften und einer Tätigkeit als Unternehmensberater trat er 1997 in die Fürst Fugger Privatbank ein und war seither in vielen Bereichen der Bank in leitender Stellung tätig.

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