Erwartung trifft auf Realität

Ende der Rallye in Sicht?

Bei den meisten Konjunkturprognosen für das Jahr 2023 ging es eigentlich nur um eine Frage: Kommt eine harte Landung oder gelingt es der Wirtschaft, weich aufzusetzen? Mittlerweile mache aber noch eine dritte Option die Runde. Derzeit wird ein „no landing“ diskutiert, also gar keine Landung. Sinngemäß etwa: Tun wir einfach so, als wäre nichts. Vielleicht wächst die Wirtschaft ja einfach so weiter. Dies dürfte aber nur in manchen Regionen möglich sein.

Ja, der Neustart Chinas nach der Aufhebung der „Null-Covid-Politik“ ist überraschend schnell gelungen und die Wirtschaftsprognosen müssen angehoben werden. Leider sieht es in Deutschland nicht ganz so rosig aus. Gerade wurde das BIP für das vierte Quartal 2022 veröffentlicht. Es sank unerwartet stark um 0,4 %. Das verheißt auch für das erste Quartal 2023 nichts Gutes. Gesunkene Konsumausgaben der Verbraucher und verringerte Investitionen der Unternehmen haben die Konjunktur ausgebremst. Sinkt aber das BIP zwei Quartale in Folge, sprechen Ökonomen von einer „technischen Rezession“. Damit wäre Deutschland in eine Winterrezession gerutscht. Ein deutlich kräftigeres Wachstum zeichnet sich für die USA ab, zumindest nach dem „GDPNOW“-Modell der Fed of Atlanta. Ihm zufolge ist für das erste Quartal sogar ein Wachstum von 2,2 % möglich.

Das alles ändert nichts am grundsätzlichen Inflationsproblem. Im Gegenteil: Es kann sich sogar noch verschärfen. Je länger die Wirtschaft boomt und neue Arbeitsplätze schafft, desto dauerhafter dürfte die ohnehin hartnäckige Dienstleistungsinflation werden. Dass die Notenbanken bald die Zinsanhebungen beenden, dürfte jedenfalls vom Tisch sein.

Auch wenn sich die Unternehmensgewinne bislang überraschend gut gehalten haben, ist die Kursrallye der letzten Wochen vor diesem Hintergrund schwer nachvollziehbar. Aktuell sorgen nicht Erträge für Kursgewinne, sondern Bewertungen. Das liegt an den Realzinsen. Die Kursanstiege dürften größtenteils auf Markttechnik zurückgehen: Short-Positionen wurden eingedeckt, taktische Positionen ausgebaut.

Es ist aber gefährlich, zu viel Inflations-, Zins- und Konjunkturoptimismus aus dem Marktverhalten herauszulesen. Die hohe Nachfrage nach Unternehmensanleihen könnte nämlich auch bedeuten, dass Investoren mit einem Anlagehorizont von mehr als sechs Monaten Zweifel an der Nachhaltigkeit von Unternehmensgewinnen und Aktienbewertungen hegen. Wir können uns daher vorstellen, dass die derzeitige Rallye in der zweiten Jahreshälfte ein schnelles Ende nimmt. Anleger sind jedenfalls gut beraten, bei ihren Investitionsentscheidungen verstärkt auf die fundamentalen Bewertungen zu achten.

Norbert Frey

Norbert Frey

Leiter Fondsmanagement. Nach dem Studium der Wirtschaftswissenschaften war er bei Banken und Versicherungen tätig und verfügt über eine mehr als 30-jährige Berufserfahrung.

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