Gedanken zum Jahreswechsel

Ein Kommentar

Das Jahr 2022 geht zu Ende und es hat Entwicklungen und Ereignisse gebracht, die sich vor 12 Monaten so kaum jemand vorstellen konnte und wollte. Es herrscht Krieg in Europa, ausgelöst durch einen skrupellosen Machthaber im Kreml, der sich komplett illusorischen Vorstellungen einerseits im Hinblick auf die Kampfkraft der eigenen Armee und andererseits hinsichtlich dem Verteidigungswillen der Ukraine sowie der Einigkeit der westlichen Staaten, diese zu unterstützen, hingab.

Während die Pandemie in fast allen Weltregionen überstanden scheint, musste China lernen, dass einer Gesundheitsdiktatur, auch wenn sie mit hehren Absichten verbunden ist, selbst in einem Land mit einer konformistischen Bevölkerung Grenzen gesetzt sind, wenn bei den Repressalien der Bogen überspannt wird. Die Folge ist, dass China länger und schlimmer als alle anderen Länder unter den Covid-Auswirkungen leidet.

Aber auch Europa musste einige schmerzliche Erkenntnisprozesse durchlaufen: Die Folgen der Sanktionen gegenüber Russland haben gezeigt, dass der Weg zur Unabhängigkeit von fossilen Energien noch sehr weit ist, und wenn der Transformationsprozess, behindert durch bürokratische Hemmnisse und unrealistische technologische Erwartungen an die Wirkmächtigkeit erneuerbarer Energien auch in Zeiten der Dunkelflaute im selben unbefriedigenden Maß wie in den vergangenen 10 Jahren weiterläuft, werden die für das Jahr 2030 angestrebten Klimaziele nicht annähernd erreicht. Das bedeutet dann entweder Deindustrialisierung und Verlagerung energieintensiver Produktionsprozesse in Regionen mit geringeren Energiepreisen, was dem Weltklima keinen Deut hilft, oder eine Anpassung der Klimaziele auf ein realistisches Maß. Derweil verliert sich der Gesetzgebungsprozess, mit dem Kapitalströme hin zu einer klimafreundlichen, CO2 armen Produktion verlagert werden sollten, im bürokratischen klein-klein.

Auf der anderen Seite des Atlantiks haben die USA in der Zwischenzeit mit dem Inflation Reduction Act ein 430 Mrd US-Dollar Investitionsprogramm zur Sicherstellung einer klima- und zukunftsfesten amerikanischen Industrie verabschiedet, bei dem man sich unwillkürlich fragt, was das in der nach oben offenen Wumms-Skala von Olaf-Scholz bedeuten würde. Dieses Programm wird Fakten schaffen und die Europäer könnten bei ihren eigenen Investitionen in eine klimafreundliche Produktion schnell ins Hintertreffen geraten.

Was bedeuten diese Erkenntnisse für strategische Investoren? Zum einen sollte man sich bewusst machen, dass auch die kommenden Jahre durch Ereignisse geprägt werden dürften, die wir aktuell nur unzureichend antizipieren können. Politische und technologische Megatrends wie Nachhaltigkeit und Digitalisierung sind intakt, wann und wie sie sich in den kommenden Jahren konkret manifestieren werden, ist aber kaum prognostizierbar. Als relativ gesichert kann hingegen die Erkenntnis gelten, dass die USA trotz innenpolitischer Probleme und der gefährlichen Herausforderung durch China auch künftig die geopolitische und wirtschaftliche Supermacht sein werden, an der kein Weg vorbei führt. Man sollte sich als Investor gleichwohl weder auf eine Region noch eine Brache oder ein Trendthema fokussieren, sondern breit, unideologisch und rational investieren. Mit ein wenig Geduld sollte mit dieser Strategie eine langfristig zufriedenstellende Rendite gesichert sein.

Jochen Hagen

Jochen Hagen

Mitglied des Vorstands, verantwortlich für die Bereiche Marktfolge Aktiv und Passiv, Organisation/IT, Risikocontrolling, Compliance, Marketing und Personal. Nach dem Studium der Verwaltungswissenschaften und einer Tätigkeit als Unternehmensberater trat er 1997 in die Fürst Fugger Privatbank ein und war seither in vielen Bereichen der Bank in leitender Stellung tätig.

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