Hohe Zinsen und Aktiengewinne: kein Widerspruch

Europäische Titel legen auf breiterer Basis zu als US-Werte

Das Aufatmen war laut zu hören: Keine Zinserhöhung in den USA – zunächst. Und nicht, ohne weitere Erhöhungen zumindest anklingen zu lassen. Die EZB zog wie erwartet nach und kündigte im gleichen Atemzug eine direkte Fortsetzung ihrer mittlerweile sehr straffen Zinspolitik an. Auf keiner Seite des Atlantiks klangen die Zinsentscheide der Zentralbanken also nach einer echten Lockerung. Da stellt sich die Frage, wie schlimm die Auswirkungen höherer Zinsen tatsächlich wären. Die reflexartige Angst vieler Marktteilnehmer vor Zinserhöhungen blendet nämlich die Komplexität der Zusammenhänge an den Märkten aus.

Zunächst bleibt ein Grunddilemma: Nach der massiven Geldflutung in den letzten 15 Jahren haben sich die Bilanzsummen der Zentralbanken um die Faktoren 3,5 (Fed) bzw. 4 (EZB) vervielfacht. Die Zentralbanken haben also noch das Rätsel zu lösen, wie sie nach dieser Dekade billigen Geldes jemals wieder in eine Normalität kommen könnten, ohne schwerwiegende wirtschaftliche Schäden anzurichten. In dem aktuellen Umfeld erwarteter Rezession, rückläufiger Unternehmensgewinne und anhaltender Inflation wäre dies etwa dann der Fall, wenn Anleihenkäufe nachhaltig zurückgefahren oder Anleihen eher verkauft würden, um die Staatshaushalte wieder aufzufüllen.

Die Explosion der Renditen an den Kapitalmärkten und der Inflationsraten hatten ein Blutbad in den Portfolios von Anleiheinvestoren angerichtet. Diese Wunden sind noch nicht verheilt. Trotz der stark angestiegenen Renditen wird dadurch kein Inflationsausgleich erreicht.

Anders die Aktien: Wir haben ganz deutlich gesehen, dass sich mit Aktien auch bei hohen Inflationsraten hohe Realrenditen erzielen lassen. In den vergangenen zwei Jahren haben die positiven Beiträge der Aktienanlagen die häufig zweistellig negativen Ergebnisse der Anleihen spürbar abgemildert. Dabei weisen die Aktienmärkte Unterschiede auf: In den USA werden die Kursanstiege fast ausschließlich von den hochkapitalisierten Technologiewerten getragen. In Europa geht die Entwicklung deutlich mehr in die Breite. Einige Qualitätstitel sind günstig bewertet. Es bietet sich daher an, Depotanteile von Technologiewerten in Richtung solch solider Titel mit Aufholpotential umzuschichten – zumindest teilweise.

Oliver Grass

Oliver Grass

Der Financial Planner (ebs) und Eco Berater (ethische und nachhaltige Kapitalanlage) ist seit 2010 in der Niederlassung Nürnberg und dort für die Verwaltung individueller Mandate und Spezialmandate verantwortlich. Hintergrund war nach Studium und Traineeprogramm (1990) eine jahrelange Tätigkeit im Großbankenbereich. Sein Schwerpunkt liegt in der Vermögensverwaltung für Private und Institutionelle Kunden unter Einbeziehung aller Anlageklassen und Instrumente.

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