Kurserholung nicht nachhaltig – anhaltend hohe Inflation zu erwarten
Die US-Notenbank Fed und die EZB haben die Zinsen weiter erhöht. Noch wichtiger: Sie haben deutlich gemacht, dass weitere Zinserhöhungsschritte wahrscheinlich sind, um die Inflation in die Nähe des Zielkorridors von 2 % zu bringen. Ein klarer Gegensatz zu den Erwartungen der Märkte, die von lediglich einem weiteren Zinsschritt auszugehen scheinen. Und was machen die Aktienmärkte? Sie steigen – vor allem in Europa. Die Rallye wird gerade seit Jahresbeginn primär durch temporäre oder auch veraltete Geschichten angekurbelt.
Hinter den Kursanstiegen steckt etwa sogenanntes Short Covering. Dabei müssen Händler zuvor leerverkaufte Titel zurückkaufen. Außerdem sind sogenannte Meme Stocks sehr gesucht, also auf Social-Media-Kanälen gehypte Aktien. Auch Kryptoanlagen sind wieder geklettert. Short Covering, Meme Stocks oder Kryptos – das sind alles hochspekulative Positionen. Sie bilden nicht ansatzweise eine nachhaltige Kurserholung an den Märkten ab. Erheblich wichtiger ist da die aktuell laufende Quartalsberichtssaison der Unternehmen. Viele Marktteilnehmer hoffen darauf, mit ihr die vorläufig letzten Kursrückschläge zu sehen. Doch das ist ein Trugschluss: Was die Prognosen zur Geschäftsentwicklung betrifft, haben wir die Tiefs noch nicht erreicht. Das dürfte erst zur Jahresmitte geschehen. Einen kleinen Vorgeschmack hat der Ausblick des Softwaregiganten Microsoft gegeben.
Die Konjunkturabschwächung hat gerade erst begonnen und die großen Notenbanken werden die Geldpolitik weiter straffen. Die Märkte spielen ein Disinflations-Szenario, das die Kurse treibt. Das ist voreilig, denn wir werden es mit anhaltend hohen Inflationsraten zu tun haben. Wir sehen noch kein Ende der Zweitrundeneffekte im derzeitigen Inflationszyklus. Der größte Arbeitgeber weltweit, der US-Einzelhandelsriese Walmart mit über 2 Mio. Beschäftigten, will den Mindestlohn von 12 auf 14 US-Dollar anheben. Und die Konkurrenz muss folgen. Dies wird die Inflationsrate weiter hochhalten.
Die Gewinnmargen in den USA und in Europa sind auf historischen Höchstständen, denn die höheren Einkaufspreise konnten auf die Konsumenten abgewälzt werden. Dies wird nicht so bleiben. Die Preissteigerungen werden schwieriger durchzusetzen, ohne Kunden zu verlieren. Wir erwarten deshalb weiter anhaltenden Druck auf die Gewinnmargen der Unternehmen. Und die Bewertungen von Aktien sind noch immer zu hoch. Alles in allem ist dies kein Einstiegsszenario für die Aktienmärkte, selbst ohne den überbewerteten Tech-Sektor in den USA.