CEOs blicken derzeit zuversichtlicher nach vorn als Anleger
Vom schwarzen Montag an der Wall Street 1987 bis hin zum COVID-Crash im März 2020, hatten alle Einbrüche am Aktienmarkt eines gemein: die Unterstützung der Notenbanken, mit deren Hilfe sich die Aktienmärkte schnell erholen konnten.
Dies sei jetzt anders, erklärt Norbert Frey, Leiter Fondsmanagement der Fürst Fugger Privatbank. Um die steigende Inflation zu bekämpfen, hätten die Notenbanken einen 180 Grad-Schwenk unternommen und damit begonnen, den Kapitalmärkten Liquidität zu entziehen. Selbst die EZB könne ihren expansiven geldpolitischen Kurs nicht mehr beibehalten. Und die drohende Gaskrise dürfte vor allem in Deutschland die Preise noch länger nach oben treiben. „Die Märkte sind in Sorge, dass die Notenbanken zu stark an der Zinsschraube drehen und damit die Industrieländer in die Rezession führen“, so Frey. Die Skepsis der Anleger zeige sich im Verkaufsdruck, vor allem auf europäische Aktien, und einer sehr defensiven Positionierung.
Ein gänzlich anderes Bild zeigt sich für Norbert Frey im Gespräch mit Unternehmen: „Selten hat sich der Optimismus der Unternehmen so stark vom Marktpessimismus unterschieden, wie jetzt.“ Trotz der Verteuerung von Rohstoffen, Energie, Transport, Logistik und Arbeit, würden die Gewinne bisher immer wieder nach oben korrigiert. Dabei seien es die anhaltend robuste Nachfrage sowie die Fähigkeit, Preise zu erhöhen, die die Gewinnmargen stabil hielten. Die sich abzeichnende wirtschaftliche Abschwächung werde gar nicht verneint, erläutert Frey: „Die Unternehmen betonen, dass sie widerstandsfähiger sind als zu Beginn der Finanzkrise 2008 und die Fähigkeit besitzen, Krisen zu überstehen.“
Die wenigen Gewinnwarnungen seien eher auf angebotsseitige Probleme oder zu wenig Personal zurückzuführen, um die Rekordauftragslage auszuliefern. Ein weiterer Grund sei die Verzögerung zwischen steigenden Kosten und der Anpassung der Preise nach oben. Norbert Frey schränkt jedoch ein: „Die Frage ist berechtigt, ob die nächsten Warnungen nicht doch von der Nachfrageseite ausgehen könnten. Die ersten Anzeichen gibt es bereits im Konsum- und im Bausektor.“
Es sei zu erwarten, dass die derzeitigen zweistelligen Gewinnerwartungen nach unten korrigiert würden. Dennoch dürften die Ergebnisse zum Jahresende höher ausfallen – dank Leverage, höherer Preise, dem Profitieren der Exporteure von der Euroabwertung, der Unterstützung durch private Sparguthaben und die allmählichen Auswirkungen der Wiedereröffnung. „Qualitätsaktien mit starker Preissetzungsmacht, Wettbewerbsvorteilen, einer gesunden Bilanz sowie einem hohen Cashflow werden als Gewinner hervorgehen“, so Norbert Frey. „Auch Unternehmen in strategischen Sektoren wie Gesundheitswesen, Energie, Landwirtschaft, Verteidigung und Technologie sind einen Blick wert, solange sie zu vernünftigen Kursen gehandelt werden.“