Monatskommentar Dezember 2022
In den letzten Monaten durften wir eine Renaissance des totgeglaubten Habenzinses erleben, die sich atemberaubend schnell vollzog. Die Geschwindigkeit dieses Anpassungsprozesses ging mit schmerzhaften Auswirkungen bei den Anleihekursen einher. Anleger sollten diese Rückgänge aber nicht als verloren betrachten. Sie können vielmehr ihre Rendite der kommenden Jahre darstellen. Gleichzeitig ließ sich das wieder attraktive Renditeniveau von 3 – 4 % nutzen, um lange Laufzeiten von guten Emittenten einzusammeln. So lässt sich in den Depots eine Grundrendite der zukünftigen Jahre sichern. Die Bewegungen an den Zinsmärkten sind auch noch nicht vorbei und in den nächsten Wochen kann es durchaus noch zu einigen Schwankungen kommen. Sie werden jedoch durch die Zeit geheilt.
Und damit zur derzeit wichtigsten Zahl, um die sich die gesamte Finanzwelt dreht – die US-Inflationsrate: Sie war es, die die deutlichen Zinserhöhungen der jüngeren Vergangenheit ausgelöst hatte und es werden noch weitere folgen. Die US-Notenbank Fed will mit allen Mitteln die Inflation dämpfen und nimmt dafür auch rezessive Tendenzen billigend in Kauf. Ihr Ziel ist, dem Wirtschaftskreislauf massiv Geld zu entziehen. Eine Rallye an den Aktienmärkten wäre bis zur erfolgreichen Inflationsdämpfung gar nicht gewünscht. Sie würde wieder Geld schaffen.
Die Märkte befinden sich daher in einer Art abwartendem Moll-Zustand: Eigentlich hofft jeder auf den Befreiungsschlag (sonst wären die Kurse auch schon deutlich tiefer). Als vor zwei Wochen die Inflation in den USA nicht weiter gestiegen war, knallten an den Märkten schon die Korken. Nur kurz, aber es reichte für einen Vorgeschmack. Und tatsächlich sind ja zahlreiche Vorzeichen positiv: Die Frachtraten fallen, Lieferketten beruhigen sich, Engpässe bei Materialbeschaffung und Chipproduktion lösen sich auf, Rohstoffpreise kommen deutlich zurück und auch die Bau-Konjunktur hat eine Vollbremsung hingelegt. Nur die Arbeitsmärkte als Spätindikator sind immer noch angespannt, weil allerorts schlicht die Menschen fehlen. Die Bremsspuren einer Rezession werden aber in einigen Branchen noch kommen. In Europa kommt zusätzliche Belastung von den hohen Energiepreisen.
Was dürfen wir also erwarten? Eine schwächere Konjunktur und hohe Energiekosten werden auf die Unternehmensergebnisse drücken. Die Aktienmärkte dürften daher spürbar schwanken – zumindest im ersten Quartal 2023. Die weiter anstehenden Zinserhöhungen der Notenbanken sorgen außerdem dafür, dass auch an den Zinsmärkten noch keine Ruhe einkehrt. Anleger, die Liquidität auf der Seite haben, können sie für Käufe von langlaufenden Anleihen nutzen – auch wenn wir die Zins-Höchststände bei langen Laufzeiten mit hoher Sicherheit schon hinter uns haben. An den Aktienmärkten dürften die ersten Monate des kommenden Jahres die eine oder andere Kaufgelegenheit bieten.