Warum Anleger (noch) keine Angst vor steigenden Preisen haben müssen
Nach Jahren niedriger und sogar negativer Zinsen kommen nun allen voran aus den USA starke Gegenbewegungen – endlich. Zwar hatte sich eine höhere Inflation abgezeichnet, mit einer Teuerungsrate auf einem Vierzig-Jahres-Hoch hatte in den Vereinigten Staaten jedoch niemand gerechnet. Auch für Deutschland und Europa werden bereits erste positive Renditen bei Staatsanleihen in die ein oder andere Zinsprognose eingebaut.
Für Oliver Grass, Portfoliomanager und Mitglied des Anlagegremiums der Vermögensverwaltung der Fürst Fugger Privatbank, ist Inflation auch nicht per se ein negatives Szenario: „Der globalisierungsbedingte jahrzehntelange Trend sinkender Preise ohne Preiserhöhungsspielräume scheint zu Ende zu sein. Lieferengpässe bei hoher Nachfrage und die Auslastung der Produktionskapazitäten machen Preiserhöhungen wieder möglich.“ Damit seien auch Wirtschaftswachstum, ein Rückgang der Arbeitslosigkeit und – auch hier vor allem in den USA – teilweise deutliche Lohnerhöhungen möglich. Ganz zu schweigen von möglichen Nachholeffekten nach Überwindung der Pandemie.
Man müsse jedoch auch die Kehrseite der Inflationsmedaille betrachten, so Grass: „Für die Produzenten ist die Versorgung mit Roh- und Betriebsstoffen weniger planbar geworden und es ist für sie schwieriger, belastbare Preiszusagen zu treffen.“ Vor diesem Hintergrund dürfe nicht vergessen werden, dass die Pandemie und ihre Auswirkungen noch weltweit zu spüren seien: „Wenn China aufgrund von Omikron wieder Einschränkungen vornimmt, könnte dies drastische Folgen für die weltweiten Lieferketten haben.“
Eine entscheidende Frage sei daher, ob die Märkte diese Unsicherheiten bereits eingepreist hätten. Einiges würde dafür sprechen, meint Oliver Grass: „Anstelle der fast mehrheitlich erwarteten Jahresanfangs-Rallye gab es an den Börsen teils kräftige Kurskorrekturen. Dennoch blieben die Aktienmärkte in der Summe erstaunlich stabil.“ So hätten den Rückgängen z.B. bei den Technologieaktien eine ganze Reihe widererstarkender Sektoren und Titel gegenübergestanden, wie etwa Banken.
In einem Punkt habe daher auch die gestiegene Inflation keine Änderung gebracht: an Aktien führt für Oliver Grass weiterhin kein Weg vorbei: „Reduziert man die Aktie auf das, was sie eigentlich ist, nämlich eine Investition in eine Unternehmung mit Gewinnbeteiligung, dann ist man damit auch in Zeiten höherer Inflation gut aufgestellt.“