Droht in den USA eine Rezession?

Was spricht dafür, was dagegen – und warum Anleger davor keine Angst haben sollten

Noch zu Jahresbeginn standen in den USA die Zeichen auf Rezession. Es folgten aggressive Zinserhöhungen der Fed, eine Krise der Regionalbanken und ein Streit zwischen Demokraten und Republikanern um die Anhebung der Schuldenobergrenze, welcher die USA wieder einmal an den Rand des Staatsbankrotts führt. Und der S&P 500 Index? Der legte seit Jahresanfang rund 10 % zu. Alles falscher Alarm also? Nicht ganz. Wie immer gibt es bei der Einschätzung der Rezessionssorgen zwei Lager. Ob die Optimisten oder die Pessimisten Recht behalten, ist derzeit offen.

Für die Optimisten sind die Turbulenzen am Bankenmarkt nur von kurzer Dauer und der Streit um die Schuldenobergrenze bald beigelegt – so wie immer. Schließlich ist sie seit den 60er Jahren ein wiederkehrendes Thema in der US-Politik. Demokraten und Republikaner konnten sich bisher bei der Schuldenobergrenze immer einigen. Gerade dieses Mal ist jedoch die Frage, zu welchem Preis. Die Optimisten vertrauen auf die Stärke der US-Unternehmen. Dass zum Ende des ersten Quartals die Gewinne zum dritten Mal in Folge nachgegeben haben, ist für sie nur vorübergehend. Und tatsächlich ist die Fähigkeit amerikanischer Unternehmen, trotz hoher Kosten und Vollbeschäftigung in effizienzbringende Technologien zu investieren, schon beeindruckend. Zusätzlich bleibt der Konsum, der immerhin rund 70 % des US-BIP ausmacht, solide.

Ganz anders die Konjunkturpessimisten: Für sie waren die Gewinnerwartungen der Analysten zu Jahresbeginn derart niedrig, dass wenige positive Überraschungen bei den Quartalszahlen der Tech-Riesen ausreichten, um den Aktienmarkt nach oben zu hieven. Ein Blick auf die Daten bestätigt diesen Eindruck: Ganze 15 Unternehmen im S&P 500 sind für den Anstieg des Index verantwortlich. 485 Unternehmen hingegen haben mehr oder weniger an Marktkapitalisierung eingebüßt. Aus dieser geringen Marktbreite kombiniert mit der relativ hohen Aktienmarktbewertung kann sich ergeben, dass die Hausse auf eher tönernen Füßen steht. Nicht zu vergessen: die Zinsen. Die Mehrheit der Analysten geht von einer Rezession im zweiten Halbjahr aus, da erst dann die restriktive Notenbankpolitik vollends auf die Realwirtschaft durchschlagen wird. Und es deutet aktuell nichts auf eine bevorstehende Wende der Politik der Fed hin – eher im Gegenteil.

Anleger müssen dennoch keine Angst vor einem gravierenden Einbruch haben. Die Aktienquoten vieler professioneller Investoren und Investmentfonds sind aktuell bereits sehr niedrig. Sollte es wirklich zu einer Verkaufswelle kommen, dürfte sie daher nicht allzu stark ausfallen. Auch der Stimmungsindikator der Uni Michigan lag zuletzt recht tief. Ein Blick in die Historie zeigt, dass es sich für Anleger mit einem mittelfristigen Horizont oft gelohnt hat, in einer solchen Phase Aktien zu kaufen.

Norbert Frey

Norbert Frey

Leiter Fondsmanagement. Nach dem Studium der Wirtschaftswissenschaften war er bei Banken und Versicherungen tätig und verfügt über eine mehr als 30-jährige Berufserfahrung.

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