Keine Panik bei den europäischen Banken

Aktienmärkte mit Potenzial – und Schwankungen

Mit fast panischer Angst haben die Börsen eine Finanzkrise 2.0 durchgespielt. Die mühsam errungenen Kursgewinne der europäischen Bankaktien wurden dabei fast völlig pulverisiert. Dabei ließen sich die Ursachen für die Entwicklung in den USA klar zuordnen: Die Trump-Regierung hatte die nach der Finanzkrise eingeführten Sicherheitsregularien weitestgehend zurückgenommen. Dies hat über einen längeren Zeitraum unentdeckte Managementfehler möglich gemacht. Anders in Europa: Die europäischen Banken sind nach wie vor infolge der strikten Regulatorik exzellent kapitalisiert. Ihre Geschäftsmodelle funktionieren und sind gerade in Zeiten höherer Zinsen wieder profitabel. Dies war auch an der Kursentwicklung erkennbar. Die Situation der Credit Suisse wiederum ist ein ganz eigenes Themenfeld und hatte sich schon länger abgezeichnet. In ihrer Größenordnung ist sie jedenfalls erheblich und erfordert immensen Aufwand vom Schweizer Staatshaushalt.

Zurück in die USA: Dort kann die Fed von einer komfortablen Position aus agieren. Die letzten eineinhalb Jahre einer markanten restriktiven Geldpolitik haben der Fed ausreichend Spielraum auch für eine eher abwartende Haltung gelassen. Mit der jüngsten „kleinen Erhöhung“ und einer Reihe von Andeutungen zwischen den Zeilen hat sie diesen auch erkennbar genutzt. Zwar werden die Zentralbanken häufig zum absolut dominanten Einflussfaktor hochstilisiert, es gibt aber noch eine ganze Reihe anderer Faktoren, die die Märkte beeinflussen: Zahlreiche große breit aufgestellte Unternehmen haben gerade im letzten Jahr deutlich bewiesen, dass sie auch unter schwierigsten Umständen in der Lage sind, Gewinne zu erzielen und Werte zu schaffen. Eine positive Entwicklung der Gesamtsituation mit Pandemieende, Aufhebung der Null-Covid-Strategie in China, der Lösung von Lieferkettenproblemen und einer möglichen Bewältigung der Energiemangellage in Europa könnten zu mehr als nur einem Silberstreifen am Horizont führen. Für Aktienanlagen besteht langfristiges weiteres Aufwärtspotential und es dürfte in absehbarer Zeit attraktive Anlagemöglichkeiten geben – aber in einem hochvolatilen Markt mit starken Schwankungen!

Auf der Zinsseite ist nach wie vor von einem langfristig höheren Renditeniveau auszugehen. Aktuell müssen Anleger allerdings genau hinsehen: Um bei den Leitzinsen ähnlich handlungsfähig wie die Fed zu sein, hat die EZB noch ein Stück Weg vor sich. Das Renditeniveau bei Staatsanleihen ist durch die Risikoflucht-bedingten jüngsten Zuflüsse aktuell noch zu niedrig, um attraktive Aussichten für mittlere und längere Laufzeiten zu versprechen. Kurzlaufende Anleihen sind jedoch durchaus attraktiv und Anleger können sich hier entsprechend positionieren.

Oliver Grass

Oliver Grass

Der Financial Planner (ebs) und Eco Berater (ethische und nachhaltige Kapitalanlage) ist seit 2010 in der Niederlassung Nürnberg und dort für die Verwaltung individueller Mandate und Spezialmandate verantwortlich. Hintergrund war nach Studium und Traineeprogramm (1990) eine jahrelange Tätigkeit im Großbankenbereich. Sein Schwerpunkt liegt in der Vermögensverwaltung für Private und Institutionelle Kunden unter Einbeziehung aller Anlageklassen und Instrumente.

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