Retrospektive auf die Marktentwicklung im Jahr 2023
Wer erinnert sich, wie Ende 2022 der Ausblick auf das neue Jahr aussah? Er war düster: In den Industrieländern wurde eine schwere Rezession erwartet, mit negativen Implikationen für Aktien und Renten. Die Notenbanken fuhren ihre expansive Geldpolitik zurück und begannen, die Zinsen anzuziehen.
Mit Ausnahme von Deutschland ist jetzt, am Jahresende 2023, nur wenig von einer Rezession zu spüren: Trotz mehr als 10 Zinserhöhungen von Fed und EZB eilen die Aktienmärkte von einem Rekordhoch zum nächsten und sogar für Rentenanleger ist die Welt wieder in Ordnung, denn: Der Zins ist zurück! Die Abkürzung TINA, also „There Is No Alternative“ gilt für Aktien nicht mehr. Nach vielen Jahren mit Null- und Negativzinsen bieten Renten zumindest optisch ansprechende Renditen. Aber – man muss sich fragen, ob durch eine Verzinsung von möglichen 4 % die einzugehenden Risiken auch wirklich abgedeckt sind und ob es sich tatsächlich um ein langfristig attraktives Investment handelt.
Dafür spricht, dass der Zinserhöhungszyklus der Fed und der EZB seinen Höhepunkt erreicht haben dürfte und weitere Zinsschritte nach oben aktuell unwahrscheinlich sind. Vieles hängt davon ab, ob die Inflation tatsächlich ein temporäres Phänomen ist. Hoffnung mache das Tempo, mit dem sich zuletzt die Inflationsraten dem Zielkorridor der Notenbanken angenähert haben. Hält der Trend zu rückläufigen Inflationsraten an, dann könnten Zinssenkungen schneller kommen als die Prognosen vorsehen. Die Folge wäre ein Umfeld mit stabilen Zinsen, in dem die Notenbanken bei Bedarf die Märkte mit Liquidität versorgen könnten, um eine Rezession zu vermeiden.
Dagegen spricht, dass die Inflation vielleicht nicht temporärer, sondern doch struktureller Natur ist. Die Deglobalisierung, geopolitische Veränderungen, aber auch die immense weltweite Staatsverschuldung sowie die immer noch lockere Fiskalpolitik, sind sich verstärkende Inflationstreiber. Auch könnten die mittel- und langfristigen Zinssätze erneut unter Druck geraten. Aktuell bieten deutsche Staatsanleihen im 10-jährigen Bereich eine Rendite von rund 2,2 %. In Anbetracht einer Inflation von 3,8 % ist das immer noch ein deutlicher realer Kapitalverlust. Der Vergleich mit den letzten Jahren führt dabei in die Irre. Ein Blick in die Historie zeigt in einem Zeitraum von 1990 bis 2010 Renditen von im Schnitt über 5 % – bei einer Inflation von knapp 2 % in Deutschland. Solch ein Renditeanstieg würde zu massiven Verlusten einer auf aktuellem Niveau getätigten Anlage führen.
Und nicht zuletzt sind auch Unternehmensanleihen mit kritischer Vorsicht zu betrachten. Wenn es zu einer Rezession kommt, geraten die Unternehmensgewinne unter Druck und mit ihnen die Kurse der dazugehörigen Anleihen.
Beide Szenarien sind also denkbar und beide mit guten Argumenten. Umso wichtiger ist daher eine sinnvolle Diversifikation. In der aktuellen Marktlage gehören sowohl Renten als auch Aktien in ein gut diversifiziertes Portfolio. Zudem kann sich der Blick über den Tellerrand hinaus lohnen, denn es gibt mittlerweile auch eine Reihe alternativer Renditequellen.