Belastende Faktoren wirken zeitversetzt
Die Märkte mussten im ersten Halbjahr mit anhaltend hohen Inflationsraten sowie mit der Unsicherheit um die Geldpolitik der Notenbanken zurechtkommen. Gleichzeitig ging die Angst vor einer Rezession in den USA und mit Abstrichen auch in Europa um. Und doch kannte die Börsenentwicklung nur eine Richtung: aufwärts. Vor allem an der Nasdaq wurden alle negativen Faktoren ausgeblendet. Die Hoffnung auf den billionenschweren KI-Markt löste dort neue Euphorie aus.
Hier lohnt es sich allerdings, genauer hinzusehen: Sowohl die Nasdaq, als auch der S&P 500 wurden von gerade einmal 10 Mega-Tech-Aktien nach oben gezogen. Die restlichen 490 Titel im S&P 500 Index haben eine Nullrunde eingelegt oder sogar verloren. Auf Dauer ist das schlecht für die Aktienmärkte. Ein Blick in die Historie zeigt zudem, dass sich viele Effekte erst zeitversetzt einstellen: So braucht etwa eine geldpolitische Straffung bis zu 12 Monate, bis sie ihre volle Wirkung zeigt.
Möglicherweise überschätzen daher die Anleger die US-Wirtschaft und ein Abgleiten in eine Rezession spätestens im vierten Quartal ist nicht abwegig. Der Zinsanhebungszyklus der Zentralbanken, von dem Gegenwind für die Kurse kommt, könnte zwar bald abgeschlossen sein. Es ist aber noch völlig unklar, wie groß die Auswirkungen der gestiegenen Zinsen auf die Profitabilität der Unternehmen und die Wirtschaft dann sein werden. Spätestens mit dem zunehmenden Refinanzierungsbedarf der Unternehmen wird die Wirtschaft die höheren Zinskosten zu spüren bekommen. Und fallende Gewinnmargen sind negativ für die Aktienmärkte.
Das Zinsrisiko besteht im Übrigen nach wie vor weiter. Es trifft vor allem die Tech-Unternehmen, welche auf Fremdfinanzierung angewiesen sind – also genau die wenigen Titel, denen der Anstieg der Indizes zuzuschreiben ist. Um die Rallye fortsetzen zu können, muss die Marktbreite zunehmen. Das sehen wir aber derzeit nicht. Auch aus einer ganz anderen Richtung droht Druck auf die Technologiewerte, nämlich seitens der angepassten Gewichtung der Titel im Nasdaq 100 Index zum 24. Juli dieses Jahres. Das Gewicht der 7 Mega-Caps wurde von bislang 56 auf 44 % reduziert. Dies dürfte zu Umschichtungen von Anlagegeldern führen und den Tech-Boom abbremsen.
Es können aber noch ein paar Monate vergehen, bis die Auswirkungen der genannten Belastungsfaktoren an den Börsen zu spüren sind. Bis dahin empfehlen wir, auf ein ausgewogenes Portfolio zu achten und vor allem auf eine solide Auswahl von Aktien- wie auch Rententiteln.