Was uns die letzte Woche an den Börsen zeigt
Die Implosion am Aktienmarkt ist ausgeblieben. Melvin Capital, der Hedgefonds, der mit hohen Positionen gegen die Aktie von GameStop gewettet hatte, musste aufgrund der konzertierten Kaufwellen privater Trader im Januar einen Monatsverlust von 53% hinnehmen. Marko Behring, Leiter Asset Management der Fürst Fugger Privatbank: „In der Vergangenheit haben die Schieflagen von Hedgefonds oft Schockwellen an den Märkten ausgelöst. Das ist jetzt nicht der Fall.“
So gilt der Kollaps zweier Hedgefonds des Bankhauses Bear Stearns im Juli 2007 als erster Warnschuss der Finanzkrise, den man als aufmerksamer Marktbeobachter damals hätte vernehmen können – bzw. sollen.
Dieses Mal scheinen viele Marktteilnehmer die äußerst ungewöhnlichen Bewegungen der letzten Woche schnell ad acta legen zu wollen. Marko Behring gehört nicht dazu: „Wir halten die jüngst beobachtete Entwicklung für ein erstes deutliches Warnsignal. Die privaten Trader haben die lückenhaften Risikomanagement- und Bewertungssysteme einiger Hedgefonds als Luftnummern entlarvt.“ Die Ereignisse zeigen für ihn aber auch noch etwas anderes: „Digitale Plattformen wie Reddit haben dazu beigetragen, dass Kleinanleger erhebliche Marktmacht ausüben können.“ Dies führt bei Aktien wie GameStop zu Kurssprüngen, die an den Neuen Markt und das Jahr 1999 erinnern.
Schief liegende Hedgefonds und ein dynamisch wachsendes Interesse neuer Kleinanleger sind für Marko Behring Anzeichen für die Spätphase eines Börsenzyklus. Er sieht jedoch keinen Crash am Horizont: „Temporäre Überhitzung ja, veritabler Börsencrash nein. Wir erwarten, dass sich die Phasen der Übertreibung unter Schwankungen über einen längeren Seitwärtslauf abbauen werden.“
So dürfe nicht vergessen werden, dass mittlerweile nicht mehr nur die Zentralbanken aus allen Rohren feuerten, sondern auch die Staaten selbst. Noch unter der Trump Administration wurde in den USA zum Jahreswechsel ein 900 Mrd. US-Dollar schweres Konjunkturpaket verabschiedet. Biden kündigte kurz darauf ein noch größeres Programm an: 1,9 Bill. US-Dollar zur Unterstützung der Konjunktur. Für Marko Behring bedeutet das: „Die Staaten setzten nun das fort, was die Zentralbanken begonnen haben. Die fiskalpolitischen Maßnahmen erreichen die Realwirtschaft allerdings direkter als die Maßnahmen der Zentralbanken.“
Was bedeutet das für die Depots der Anleger?
Die konjunkturelle Erholung und die angekündigten Hilfspakete sollten die Dividenden wieder in Richtung der Vorkrisenniveaus bewegen. Die ohnehin schon sehr hohen Aktienkurse dagegen könnten irgendwann beginnen, sich seitwärts zu entwickeln – auch länger. Trotz Pandemie und Konjunkturschwäche haben die Börsen letztes Jahr sehr gut performt. „Es schadet nicht, wenn man nun ein weniger starkes Jahr einplant und sich wieder stärker auf Dividenden konzentriert als auf Kurssteigerungen“, empfiehlt Behring. Die richtige Auswahl der Einzeltitel wird also wieder wichtiger, denn mit Unternehmenswerten, die regelmäßig an ihre Aktionäre ausschütten, kann auch eine längere Seitwärtsphase kommen.